Plattform ersetzt Pyramide
Die wandlungsfähige Produktion soll ebenso heterogen bleiben wie heutige Produktionslandschaften – doch alle Systeme sollen miteinander sprechen können. Was für Vorteile bietet eine flexible Plattform gegenüber der klassischen Automatisierungspyramide?
Die Digitalisierung sorgt auch in der Industrie für Veränderungen. Der Wunsch der Fabrikbetreiber nach Losgröße 1 und ein wachsender Wettbewerb erfordern schnelle und anpassbare Fertigungsabläufe. Prozesse müssen schlank, transparent und effizient gestaltet sein. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Industrieunternehmen dazu heute ihre Kompetenzen bündeln und über bisherige Grenzen hinweg denken und handeln. Je schneller ein Unternehmen diesen Schritt wagt, desto mehr sichert es sich nicht nur den Erhalt des bisherigen Kerngeschäfts, sondern es profitiert von zusätzlichen, datengetriebenen Geschäftsmodellen.
Was bedeutet dies für die Fertigung?
Horizontale und vertikale Vernetzung, wandlungsfähige Systemlandschaften und Skalierbarkeit sind Wegbereiter der intelligenten Produktion. Während die Digitalisierung im vollen Gange ist und jeder von Industrie 4.0 spricht, scheitert es häufig an flexibler Kommunikation zwischen Maschinen, Menschen und Prozessen sowie an Transparenz in der Produktion. Ein Weg, diese Lücke zu schließen, stellen Integrationsplattformen dar. Das Unternehmen soffico bietet mit der Lösung Orchestra einen solchen Manufacturing Service Bus an. Die Middleware kann IT-Systeme und Maschinen vernetzen, unabhängig davon welche Schnittstellentechnologie sie nutzen. Das ist wichtig für die digitale Transformation, denn am Anfang aller visionärer Projekte, ob Smart Factory, Predictive Maintenance oder Big Data, stehen die Erhebung, Integration und Auswertung von Daten.
Heterogene Landschaften zusammenbringen
Die heterogen gewachsenen Systemlandschaften der Produktion bestehen für gewöhnlich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Standards, Applikationen, Komponenten und Systemen. Durch die steigende Komplexität und wachsende Leistungsfähigkeit einzelner Teile ist die Vernetzung in ein Gesamtsystem anspruchsvoll. Dabei ist Systemvielfalt an sich kein Nachteil – mit dem Vertrauen auf unterschiedliche Lösungsanbieter für die variierenden Anforderungen wird die Abhängigkeit von einem Hersteller minimiert und lässt Raum, um mit individuellen Lösungen agil auf künftige Herausforderungen zu reagieren.
Für Projekte im Sinne der Industrie 4.0 gilt es, all diese „Best of Breed“-Lösungen zusammenzubringen, um eine durchgängig und reibungslose Kommunikation sicherzustellen. Maschinen, Produkte und Menschen müssen in die Lage versetzt werden, einander zu verstehen. Dies erfordert vor allem Harmonisierung und Flexibilität beim Thema Schnittstellen. Helfen kann beispielsweise das Protokoll OPC-UA (Open Platform Communications Unified Architecture). Der Standard für den bidirektionalen Datenaustausch vereinheitlicht die Sprache, mit der sich Maschinen verständigen. Das unabhängige Kommunikationsprotokoll ist weder an Plattformen, Sprachen oder an Betriebssysteme gebunden. Außerdem besitzt es die Fähigkeit, Maschinendaten nicht nur zu transportieren, sondern auch maschinenlesbar zu beschreiben. Auf dieser Basis können Unternehmen und Industrien semantische Informationsmodelle schaffen. Mittels Retrofit können sie dabei auch bestehende Anlagen für aktuelle Standards wie OPC-UA aufrüsten und damit kostenintensive Investitionen schützen. Eine solche standardisierte Datenintegration erfüllt erstrebenswerte Attribute wie: Flexibilität, Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit, geringen Konfigurationsbedarf, vielseitige Einsetzbarkeit und Investitionsschutz.
Service-Architektur statt Automatisierungspyramide
Die klassische Automatisierungspyramide stellt IT-Systeme als hierarchische, strikt voneinander getrennte Ebenen dar, die der Steuerung und Überwachung der Produktion dienen. Unterschiedliche Standards und Kommunikationsmittel verbinden die Ebenen und Systeme wie Sensoren, Industrie-PCs oder ERP-Systeme miteinander. Bedingt: denn träge Datenströme an den Systemgrenzen und starre Schnittstellen verhindern die beliebige Kommunikation untereinander. Ein schnelles, flexibles Eingreifen in Prozesse ist damit erschwert und teils unmöglich, eine umfassende Automatisierung undenkbar. Unternehmen können heute die klassische Automatisierungspyramide mittels einer Integrationsplattform durch eine service-orientierte Architektur ersetzen. Damit ermöglichen sie die Integration und Kommunikation sowohl über horizontale als auch vertikale Grenzen hinweg. Von verteilten, dezentralen Edge Devices bis hin zu hochverfügbaren Cluster-Anlagen – vernetzt auf allen Ebenen – fließen Daten zwischen allen beteiligten Akteuren der OT- und IT-Ebene in beide Richtungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. So können Unternehmen die richtigen Personen zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Information versorgen.
Wie sich die Schott AG neu aufgestellt hat
Die Schott AG ist ein international tätiger Technologiekonzern mit über 130 Jahren Erfahrung in der Herstellung von Glas- und Glaskeramiklösungen. Die Maschinenlandschaft des Unternehmens umfasst Anlagen und Systeme verschiedenster Baujahre, die dezentrale Informationsinseln darstellten. Die modulare Architektur der genutzten Integrationsplattform Orchestra erlaubt es heute, diese dezentralen Instanzen zu vernetzen, sodass sie miteinander kommunizieren können. Der Manufacturing Service Bus integriert dank der Unterstützung vieler standardisierter und branchenspezifischer Protokolle sowohl Bestandssysteme als auch Greenfield-Anlagen. Das schützt vergangene und zukünftige Investitionen. So konnte das Unternehmen die Digitalisierungslücke zwischen Information Technology (IT) und Operation Technology (OT) schließen. Die realisierte Edge-Fog-Architektur bildet der Schott-Data-Integration- Layer (DIL). Edge-Geräte erfassen dabei die Daten dort, wo sie entstehen und verarbeiten sie dort, wo sie gebraucht werden. Das zentrale Monitoring und transparente Prozesse sorgen für Datensicherheit. Zudem folgt das Unternehmen Richtlinien der „Good Manufacturing Practice“ (GMP). Mit dem DIL hat der Technologiekonzern das Fundament gelegt, um weitere datengetriebene Geschäftsmodelle zu etablieren.
Gesichert in die Zukunft
Die Digitalisierung der Industrie ist in vollem Gange und stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Integration von OT und IT-Systemen kann Geschäftsprozesse optimieren und Betriebskosten senken. Die Implementierung einer hoch-skalierbaren, mehrstufigen Integrationsarchitektur gewährleistet hohe Verfügbarkeit, Flexibilität und Wandlungsfähigkeit.
Autor: Harald Wenger
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Digital Manufacturing Magazin (Ausgabe 04/22).
Sarah Blomeier